Rechenschwäche / -störung (Dyskalkulie)
Bei einer Rechenschwäche / -störung (Dyskalkulie) handelt es sich um eine umschriebene Beeinträchtigung von Rechenfertigkeiten, die nicht allein durch eine allgemeine Intelligenzminderung oder eine eindeutig unangemessene Beschulung erklärbar ist. Das Defizit betrifft die Beherrschung grundlegender Rechenfertigkeiten wie Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division, weniger die höheren mathematischen Fertigkeiten, die für Algebra, Trigonometrie, Geometrie und Differential- sowie Integralrechnung benötigt werden (ICD-10).
Von einer Dyskalkulie sind ca. 3-7% aller Schulkinder in Deutschland betroffen. Die Rechenschwierigkeiten, die auftreten, sind verschiedenartig. Es kommen vor: Ein Unvermögen, die bestimmten Rechenoperationen zugrunde liegenden Konzepte zu verstehen; ein Mangel im Verständnis mathematischer Ausdrücke oder Zeichen; ein Nichtwiedererkennen numerischer Symbole; eine Schwierigkeit, unsere Standardrechenschritte auszuführen; eine Schwierigkeit im Verständnis, welche Zahlen für das in Betracht kommende arithmetische Problem relevant sind; Schwierigkeiten, Zahlen in die richtige Reihenfolge zu bringen oder Dezimalstellen oder Symbole während des Rechenvorgangs einzusetzen; mangelnder räumlicher Aufbau von Berechnungen; Unfähigkeit, das Einmaleins befriedigend zu lernen (ICD-10).
Konkrete Anzeichen einer Dyskalkulie können sein:
- Große Schwierigkeiten beim Lösen der Mathematikhausaufgaben
- Mathematikhausaufgaben dauern verhältnismäßig lange
- Auch in höheren Klassen wird mit den Fingern oder anderen Hilfsmitteln „gerechnet“
- Schwierigkeiten beim Rückwärtszählen
- Aufgaben werden zählend gelöst
- Probleme beim Zehner-, Hunderter-, Tausenderübergang
- Kein Verständnis von Größen- und Mengenverhältnissen
- Gewichts- und Maßeinheiten können nicht oder nur schwer geschätzt werden
- Es fehlt ein innerer Zahlenstrahl
- Widersprüchliche Ergebnisse werden nicht erkannt
- Probleme beim Erlernen der Uhr (analog mit Zeigern)
- Probleme beim Lösen von Sach- und Textaufgaben. Ein Transfer vom Text zur Rechenoperation gelingt nicht
- Zweistellige Zahlen werden von rechts nach links geschrieben oder Einer und Zehner vertauscht
- Visuell ähnliche Zahlen werden verwechselt (6 – 9; 3 – 5)
- Schwierigkeiten mit Richtungsunterscheidungen (rechts – links – oben – unten)
- Üben bringt keine Verbesserungen; Üben hat kaum Einfluss auf die Rechenleistung, da Rechenschritte auswendig gelernt, häufig aber nicht verstanden werden
- Keine Automatisierungen beim Rechnen. Alles muss immer wieder gerechnet werden
- Große Schwierigkeiten, das Einmaleins zu erlernen
- Kopfrechnen bereitet große Probleme
- Schwierigkeiten mit der Konzentration und Merkfähigkeit
Kinder mit einer Rechenschwäche / -störung werden oft jahrelang von (schulischen) Misserfolgen begleitet. Wird eine Rechenstörung erst spät erkannt, treten in Folge der häufigen Misserfolge und Frustrationen Sekundärproblematiken auf, wie z.B. sich langsam verstärkende emotionale Probleme und Verhaltensschwierigkeiten. Je später eine Dyskalkulie erkannt und behandelt wird, desto größer ist die Diskrepanz zwischen aktuellem Schulstoff und aufzuarbeitenden Grundlagen.
Die Folgen einer Dyskalkulie können sein:
Im emotionalen Bereich:
- Selbstwertverlust
- Selbstvorwürfe
- Versagensgefühle
- Ängste, insbesondere Schul-, Prüfungs- und Versagensängste
- Traurigkeit, depressive Verstimmung
Im körperlichen Bereich:
- Psychosomatische Beschwerden wie Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, Übelkeit, Schlafstörungen
- Wiedereinsetzendes Einnässen, obwohl das Kind schon trocken war
Im schulischen Bereich:
- Konzentrationsprobleme
- Hyperaktivität
- Motivationsverlust (Schulunlust, Schulverweigerung)
- Generelles Leistungsversagen (übergreifend auch in anderen Fächern)
- Hausaufgabenkonflikte
Im sozialen Bereich:
- Kontaktschwierigkeiten, sozialer Rückzug
- Einsamkeit
- Aggressives Verhalten
- Clownereien
Bei einigen Kindern mit Dyskalkulie tritt gleichzeitig eine Lese-Rechtschreibschwäche / -störung (LRS) auf.